NetWorkingCapital

Die Behandlung des Net Working Capital bei der Kaufpreisermittlung

Ein Großteil der Unternehmensbewertungen in der heutigen M&A Landschaft erfolgt anhand der Multiplikator Methode.

Bei dieser Methode werden der nachhaltige Umsatz bzw. das nachhaltige operative Betriebsergebnis (EBIT) oder das nachhaltige operative Ergebnis vor Abschreibungen (EBITDA) mit einem Faktor multipliziert, der für jede Branche anhand von vergleichbaren Transaktionen und somit tatsächlich bezahlten Multiplikatoren ermittelt wird.

Durch Multiplikation des EBIT bzw. EBITDA mit dem anwendbaren Multiplikator erhält man den „Enterprise Value“ (Unternehmenswert vor Schulden und Cash).

Von Enterprise Value zu Equity Value: Die Rolle der Equity Bridge

In der „Equity Bridge“ (Überleitungsrechnung) werden diverse Hinzurechnungspositionen (wie zB liquide Mittel, Forderungen gegen Gesellschafter etc.) und Abzugspositionen (Bankverbindlichkeiten, Pensionsrückstellungen, etc.) berücksichtigt um auf den „Equity Value“ (Kaufpreis) zu gelangen.

Was ist Net Working Capital (Nettoumlaufvermögen)?

Eine weitere Überleitungsposition um auf den Equity Value zu kommen ist das Net Working Capital (Nettoumlaufvermögen).

Unter dem Nettoumlaufvermögen (NUV) versteht man das um die kurzfristigen Verbindlichkeiten reduzierte Umlaufvermögen eines Unternehmens. Das Nettoumlaufvermögen ist das vom Unternehmen aufzubringende Kapital, das für die Abwicklung des operativen Geschäfts nötig ist. Das für den operativen Geschäftsablauf nötige Kapital (Umlaufvermögen) kann zum Teil mit kurzfristigem Fremdkapital und Lieferantenkrediten finanziert werden. Nur die Differenz muss vom Unternehmen langfristig finanziert werden.

Zwei Denkansätze zur Behandlung des Net Working Capital

Im Zuge der von mir betreuten Transaktion konnte ich im Wesentlichen zwei verschiedene Ansätze der Behandlung des NUV kennenlernen.

Zum einen gibt es die Vertreter jener Denkschule, die das NUV als Wert zum Stichtag berücksichtigen und im Falle eines positiven NUV den Wert bei der Brücke hinzurechnen bzw. im Falle eines negativen NUV abziehen.

Zum anderen gibt es die Vertreter jener Denkschule die lediglich die Abweichung vom durchschnittlichen NUV (z.B. der letzten 12 / 24 oder 36 Monate) berücksichtigen.

Praxisbeispiel: Auswirkungen eines negativen Net Working Capital

Worin begründen sich nun diese unterschiedlichen Ansätze die letztendlich zu hohen Unterschieden im Kaufpreis führen können?

Nehmen wir als Beispiel ein Unternehmen, welches durch geschicktes Working Capital Management (Forderungen aus Lieferungen und Leistungen werden in kürzest möglicher Zeit betrieben, die Lagerhaltung ist optimiert, passivseitig werden mit Lieferanten und Subdienstleistern lange Zahlungsziele vereinbart) ein negatives NUV erzielt.

Ein solcherart negatives NUV führt auf der anderen Seite natürlich zu höherer Liquidität, welche ja bei der Equity Bridge als Hinzurechnungsposition berücksichtigt wurde. Streng genommen handelt es sich bei einem negativem NUV um Schulden.

Vertreter der ersten Denkschule ziehen diese Schulden bei der Equity Bridge ab. Begründungen dafür können vielfältig sein (das Working Capital Management ist nicht nachhaltig, Marktmächte können sich verschieben und längerfristige Zahlungsziele mit Kunden bzw. kürzere Zahlungsziele mit Lieferanten notwendig machen und letztendlich zu einem positivem NUV und damit auch zu geringerer Liquidität führen).

Vertreter der zweiten Denkschule gehen davon aus, dass das Working Capital Management nachhaltig ist. Im zuvor beschrieben Fall gelingt es dem Unternehmen nachhaltig „freie“ Liquidität zu schaffen indem es sich z.B. nachhaltig durch zinsfreie Lieferantenkredite finanziert.

Lediglich Abweichungen vom durchschnittlichen Stand des NUV werden bei der Equity Bridge berücksichtigt (wenn z.B. das NUV zum Stichtag kleiner – also noch negativer ist – wird dieser Unterschiedsbetrag zum durchschnittlichen NUV abgezogen).

Nachhaltigkeit des Working Capital Managements als entscheidender Faktor

Welcher Denkschule im Einzelfall der Vorzug gegeben wird hängt wohl immer vom Einzelfall ab. Für ein im Projektgeschäft tätiges Unternehmen mit volatilem NUV mag die erste Denkschule vielleicht eher zu argumentieren sein. Für Unternehmen in einem stabilen nachhaltigen Geschäftsumfeld mag die zweite Denkschule eher geeignet sein.

Immer sollte aber mitberücksichtigt werden, inwiefern die durch optimiertes Working Capital Management generierte Liquidität tatsächlich auch „frei“ und entnehmbar ist. Dies kann nur im Zusammenhang mit dem Bilanzbild beurteilt werden.

Fazit: Individualität bei der Bewertung des Net Working Capital
Zusammenfassend kann wie so oft nur gesagt werden, dass die Behandlung des NUV bei der Unternehmensbewertung stark vom Einzelfall abhängt.

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